Wie weiter für Beitragsbetroffene

Wie weiter in Sachen Anschlussbeiträge?
Was passiert wenn die Anträge zur Aufhebung eines verfassungswidrigen Beitragsbescheides oder Anträge auf Schadensersatz nach dem Staatshaftungsgesetz abgelehnt worden sind

 

Eine Empfehlung, die hier gegeben werden kann, ersetzt keine fundierte Beratung durch den Anwalt. Im Zweifelsfall möchte ich Sie immer an einen Fachjuristen verweisen, der Ihren Einzelfall und die damit verbundenen Erfolgsaussichten prüfen kann.

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe im November 2015, hatten sehr viele der Beitragsbetroffenen die berechtigte Hoffnung dass nunmehr die ewigen Streitigkeiten abgeschlossen sind und sich die Verbände an diese Beschlüsse binden.
Leider kam es anders.

Derzeit ist in den Beitragsstreitigkeiten sehr viel (juristische) Bewegung. In Folge dessen ist nunmehr die Argumentation des Innenministerium und der Verbände zusammengebrochen.

  1. Aussage: „Bescheide die bestandskräftig geworden sind, dürfen wegen § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht aufgehoben werden.“

    Grundsätzlich ist diese Aussage nicht korrekt. Trotzdem nahm sogar das höchste Brandenburger Fachgericht – das Oberverwaltungsgericht Brandenburg (nachfolgend OVG genannt)  in den Urteilen vom 11.Februar 2016 dies an. Darauf berufen sich jetzt natürlich die Verbände.

    Der 3. Senat des OVG hat mit einer sehr überzeugenden Begründung dem 9. Senat nachgewiesen, dass dieser mit seiner  Auffassung zur unumstößlichen Bestandskraft verfassungswidriger Bescheide aus dem Urteil vom 11.02.2016 –9 B 1.16- komplett danebenlag. Damit bricht der entscheidende Grundpfeiler der Gutachten, insbesondere des Parlamentarischen Beratungsdienstes für einen Ausschluss von Staatshaftungsansprüchen wegen der vermeintlichen Wirkung des § 79 Abs.2 BVerfGG einfach weg. (OVG 3 K 60.16, B.v. 16.01.2017)
     
  2. Aussage: „mit der Aufhebung bestandskräftiger Beitragsbescheide kommt der Verband in finanzielle Schwierigkeiten.“

    Diese Aussage mag faktisch richtig sein aber gerade das war einer der Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichtes (nachfolgend BvG) gewesen. Das BvG führte wörtlich aus, „das die fiskalischen Interessen der Verbände nicht über dem Vertrauensschutz der Betroffenen“ liegen dürfen.
    Insofern ist die Aussage der Verbände hier ein deutliches Ignorieren der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts.

     
  3. Aussage: „Die Verbände haben immer im Rahmen der Brandenburger Landesgesetze gehandelt und sind somit nicht Schadensersatzpflichtig. Die Entscheidung aus Karlsruhe war überraschend und nicht vorhersehbar.“

    Dieser Argumentation tritt das Bundesverfassungsgericht selbst entgegen.
    In vier Entscheidungen vom 16.Januar 2017 macht das BvG deutlich, dass die Entscheidung absolut vorhersehbar war. (Beschluss vom 16. Januar 2017 - 1 BvR 2406/16 u.a.)
    Das BvG führt wörtlich aus:
    RN 10: „
    Der vorliegende Sachverhalt ist mit diesen Fällen zumindest vergleichbar. Allerdings kann hier nicht ohne Weiteres darauf abgestellt werden, die Verfassungswidrigkeit der jahrelang geübten Verwaltungspraxis sei angesichts der früheren gefestigten Rechtsprechung für den Zweckverband nicht erkennbar und der Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 daher überraschend gewesen. Da selbst für den Bürger eine ständige Rechtsprechung nur bei Hinzutreten weiterer Umstände einen Vertrauenstatbestand begründen kann (vgl. BVerfGE 72, 302 <326>; 122, 248 <277 f.>; 131, 20 <42>), muss dies erst recht für eine Behörde gelten, die gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet ist, das eigene Handeln auf seine Grundrechtskonformität hin zu jeder Zeit kritisch zu prüfen und auch vermeintlich sichere Überzeugungen zur Disposition zu stellen (vgl. auch BVerwGE 126, 7 <12 Rn. 24>).“

    Damit bricht nun auch der letzte Pfeiler der Argumentation gegen die Aufhebung der verfassungswidrigen Beitragsbescheide zusammen.
    Halten die Verbände und das Innenministerium an Ihrer, damit widerlegten, Rechtsauffassung fest, werden neue Verfassungsbeschwerden den Betroffenen unweigerlich Recht geben.

 

Allgemein ist bekannt, dass eine Beitragslast als einmalige Abgeltung eines so genannten Gebrauchswertvorteils, als öffentliche Last auf dem jeweiligen Grundstück liegt.
Wenn nun im Laufe der Jahre aber die Anlage angeblich eine „neue“ werden kann, beispielsweise durch Verbandsfusionen oder ähnlichem, dann ist dieser Vorteil nicht dauerhaft und rechtlich gesichert. Dann müsste der Wegfall dieses Vorteiles den Betroffenen sogar entschädigt werden. Zumindest wenn man sich an das Grundgesetz hält.
Doch das sehen einige Verbände nicht.

 

Was können Betroffene nun unternehmen, wenn Anträge zur Aufhebung der Beitragsbescheide abgelehnt werden oder wenn Anträge auf Schadensersatz aus dem Staatshaftungsgesetz abgelehnt werden?
 

 

  1. Abgelehnter Aufhebungsantrag
     


Hier muss der Betroffene in die Rechtsmittelbelehrung schauen.
Ist ein Widerspruch gegen die Ablehnung zum VERBAND oder zur GEMEINDE möglich sollte dies genutzt werden und mit den vor stehenden Argumenten begründet werden.

Ist kein Widerspruch möglich und soll eine Klage am Verwaltungsgericht erhoben werden, empfehle ich die Prüfung des Einzelfalles.
Insbesondere die Ausübung des Ermessens des Verbandes und die damit verbundenen Erfolgsaussichten sollten sehr kritisch geprüft werden. Im Zweifelsfall sollte ein Fachjurist hinzugezogen werden.

 

  1. Abgelehnter Antrag auf Schadensersatz nach dem Staatshaftungsgesetz der DDR


    Hier ist kein Widerspruch zulässig. Es muss Klage am Landgericht erhoben werden, zu der Anwaltszwang gilt.
    Nach den derzeit vorliegenden Gerichtsentscheidungen können die Erfolgsaussichten als gut angesehen werden. Dennoch bleibt es dem Zivilgericht überlassen hier endgültig Recht zu schaffen.


     

 

Weitere Möglichkeiten, außerhalb der Gerichtsbarkeit

 

Wie allgemein bekannt ist, sind Beiträge in der Regel dazu verwendet worden, die Gebühren also die Abschläge die wir alle monatlich entrichten, günstig gestalten zu können.
Das bedeutet, Beiträge und Gebühren stehen unmittelbar in Interaktion miteinander.
 


Das bedeutet aber auch, dass nicht jeder Nutzer der öffentlichen Anlagen absolut gleich viel zu bezahlen hat. Denn wer Beiträge gezahlt hat (hier ist es unerheblich ob zu Recht erhoben worden ist) der hat einen Teil an der Refinanzierung der Anlage gezahlt. Nichtbeitragszahler haben dies nicht getan und müssen dies über die monatlichen Gebühren abgelten.  
Konkret sind diejenigen die Beiträge gezahlt haben, den Nichtzahler gegenüber besser zu stellen.
Folglich kommt der Verband/die Gemeinde nicht an der Neukalkulation der Gebühren vorbei.
Beitragszahler müssen in der Folge weniger Gebühren zahlen, als Nichtzahler.
Technisch und kaufmännisch ist das Verfahren der „gesplitteten Gebühr“ kaum gerichtsfest kalkulierbar.

Insofern kann der Rat gegeben werden, gegen die Jahresgebührenabrechnungen 2016 Widerspruch zu erheben, mit der Begründung dass die Kalkulationen wohl nicht stimmen werden.

Wenig Sinn zum Widerspruch würde es machen, wenn der Verband nicht vom „Altanschließerproblem“ erfasst ist, es also im Verbandsgebiet keine Erhebung von Altanschließerbeiträgen gegeben hatte.
 

Wenn im Laufe dieses Jahres erste Klagen zur Aufhebung von Beitragsbescheiden oder auch die Klagen auf Schadensersatz aus dem Staatshaftungsgesetz Erfolg haben werden, müssen die Verbände ohnehin neu denken.
Denn dann sind auch die einzelnen Fallgruppen absolut gleich zu stellen, es sei denn es wird gegen den Gleichheitsgrundsatz aus dem Grundgesetz verstoßen.
Konkret werden die betreffenden Verbände einen Weg finden müssen, wie die Kläger den Nichtklägern gleichgestellt werden

 

 

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Thomas Kaiser

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